Kirsche

Herkunft

Süß oder sauer – diese Frage stellt sich beim Kirschbaum immer als Erstes. Denn erst wenn das geklärt ist, kann man Schlüsse zu seiner Herkunft ziehen. Süßkirsche und Sauerkirsche gehören auf jeden Fall zur Gattung Prunus, die wiederum zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehört. Beide Kirschbäume sind eng mit den Zwetschgen verwandt. Alle drei gehören zum Steinobst, zu dem man beispielsweise auch Aprikose, Pfirsich und Nektarine rechnet.

Die Wildform der heutigen Süßkirsche ist die Vogelkirsche (Prunus avium). Nicht so klar ist die Abstammung bei der Sauerkirsche (Prunus cerasus): Möglicherweise ist sie ein Hybrid zwischen Vogelkirsche und Steppenkirsche (Prunus fruticosa), jedenfalls haben Genetiker festgestellt, dass sie den doppelten Chromosomensatz der Süßkirsche besitzt. Die gemeinsame "Mutter" beider Kirschbäume ist also – ganz oder teileweise – die Vogelkirsche. Sie ist ursprünglich in Europa und Mittelasien heimisch, schon sehr früh wurde sie in Nordafrika, Amerika und Indien eingebürgert. In der Natur wächst sie bevorzugt an Waldrändern an sonnigen oder halbschattigen Standorten oder in Feldgehölzen, sie wandert bis auf Höhen von 2.000 Metern in die Berge hinauf.

Die Karriere des Süßkirschanbau in Europa begann 63 vor Christus. Der Feldherr Licinius Lucullus brachte sie von der heute türkischen Hafenstadt Kerasos nach Rom. Schon 50 nach Christus begann der Anbau in Germanien, Gallien und Britannien. In Deutschland ist Baden-Württemberg Spitzenreiter beim Süßkirschenanbau, gefolgt von der Fränkischen Schweiz, Brandenburg und dem niedersächsischen Alten Land. Man weiß, dass der Anbau von Süßkirschen in der Schweiz auf eine 600-jährige Tradition zurückblicken kann. In der Region Zug prägen viele Bräuche rund um den Kirschbaum den Kanton: Ins 17. Jahrhundert reicht wahrscheinlich der "Chriesisturm" zurück, mit dem die Kirschernte eröffnet wurde: Waren die Kirschen für reif erklärt worden, läutete die Kirchenglocke und der Wettkampf begann: Bewaffnet mit Leitern und Körben rannten die Zuger durch die ganze Stadt in die Allmend. Dort standen die Kirschbäume, die allen Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam gehörten.

 

Der Sauerkirschanbau ist in den letzten Jahrzehnten gegenüber der Süßkirsche etwas ins Hintertreffen geraten. Jetzt gewinnt die Frucht wieder an Boden: Sauerkirschen sind aufgrund ihres Säuregehalts und wertvoller Inhaltsstoffe sehr gesund, sie sind beispielsweise reich an antioxidativ wirkenden Phenolen und Anthocyanen. Letzteren wird eine entzündungshemmende und nicht zuletzt die Tumorbildung blockende Wirkung zugeschrieben. Nicht zuletzt kann ein Sauerkirschbaum mit größerer Anspruchslosigkeit punkten. Mit seinem grazileren Wuchs gehört er zu den Kirschbäumen, die sich auch für kleinere Gärten eignen.

 

Aussehen und Wuchs

Süßkirschen wachsen gewöhnlich als Baum mit großen Kronen und dicken Stämmen, Sauerkirschen eher als gedrungene Gehölze mit leicht überhängenden Zweigen in der Natur. Abhängig von der Veredelungsunterlage sowie der Erziehung sind im Gartenbereich auch Strauchformen, Spaliere, Säulenbäume sowie Bäume mit Kronenansatz in unterschiedlichster Höhe üblich.

 

Bei der Sauerkirsche unterscheidet man zwischen Amarellen (Prunus cerasus subsp. cerasus) und Schattenmorellen (Prunus cerasus subsp. acida). Die Amarellen nennt man auch Baumsauerkirschen. Sie haben ein helles Fruchtfleisch und einen nahezu farblosen Saft. Die Schattenmorellen sind dunkelrot gefärbt. Bei der Amarelle wird noch weiter unterschieden in die Varietät "austera", eine als Süßweichsel oder Morelle bekannte Artkreuzung zwischen Süß- und Sauerkirsche, sowie die Varietät "marasca", die Maraschinokirsche. Die Baumrinde ist bei allen Kirschbäumen auffallend rötlich braun oder auch silbrigbraun gefärbt, Lentizellen sind deutlich darauf zu erkennen. Bei älteren Kirschbäumen ringelt sich die Rinde wie bei Birken waagerecht vom Stamm ab. Es bildet sich wie bei Birken keine Borke, höchstens an sehr alten Kirschbäumen unten am Stammanlauf. Das Holz des Kirschbaums ist rötlich gefärbt und in der Möbelindustrie als Furnier oder Vollholz außerordentlich begehrt. Die Wurzeln des Kirschbaums sind herzförmig ausgeprägt. Häufig entwickelt sich Wurzelbrut an oberflächennahen Wurzeln, wenn diese etwa beim Hacken oder Rasenmähen verletzt werden.

 

Die schraubig um den Spross angeordneten Blätter des Kirschbaums haben die Form einer Ellipse und enden in einer deutlichen Spitze. Der Blattrand ist gezähnt, parallel verlaufende Nerven treten auf der Blattspreite gut sichtbar hervor. Typisch für alle Prunus-Vertreter sind die zwei Nektardrüsen am Stiel der Blätter, die auch zur Bestimmung herangezogen werden. Die Blätter der Sauerkirsche fühlen sich härter an, meist sind sie im Vergleich kleiner.

 

Die Einzelblüten, die je nach Sorte zwischen Anfang April und Anfang Mai erscheinen, stehen in Dolden zusammen. Sie bestehen aus fünf Kronblättern mit ebenso vielen Kelchblättern. Zahlreiche Staubblätter stehen in der Mitte der Blüte. Vogel- und Süßkirschen blühen vor dem Blattaustrieb sowie zwei Wochen früher als die Sauerkirsche. Aus den Blüten entwickeln sich im Laufe des Sommers Früchte, die bei der Süßkirsche wenig, bei der Süßkirsche viel Säure enthalten. Die Früchte der Süßkirsche besitzen außerdem eine weichere Haut und empfindlicheres Fruchtfleisch. Bei den Kultursorten der Süßkirschen unterscheidet man zwischen zwei Unterarten, den Herzkirschen und den Knorpelkirschen. Erstere haben ein weiches, dunkles Fruchtfleisch und reifen relativ früh. Anfang Juli sind sie meist erntereif. Diese Kirschen platzen selten, selbst bei Niederschlägen oder Platzregen. Das heißt auch starke Regenschauer machen ihnen nicht so schnell etwas aus. Allerdings bereiten die Lagerung und vor allem der Transport Probleme: Aufgrund des weichen Fruchtfleisches bekommen sie schnell Druckstellen und fangen an zu faulen. Die Knorpelkirschen sind auch als Knubber- oder Knupperkirschen bekannt. Sie haben ein wesentlich festeres Fruchtfleisch, weshalb sie beim Transport nicht so schnell kaputt gehen. Sie sind meist erst nach der ersten Juliwoche reif. Dadurch, dass diese Kirschen sehr fest sind, platzen sie bei Regen jedoch sehr leicht auf. Die Schale der Knorpelkirschen kann dem steigenden Druck des per Osmose eindringenden Regenwassers nicht standhalten.

 

Botanisch gesehen ist die Kirsche eine Steinfrucht: Der innere Teil der Fruchtwand (Endokarp) bildet ein hartes Gehäuse, das den Samen einschließt. Die mittlere Fruchtwand (Mesokarp) wird zum Fruchtfleisch. Die ledrige Haut, die die Frucht abschließt, entspricht dem Exokarp. Je zwei bis sechs Früchte hängen in Dolden zusammen.

 

Standort und Boden

Damit sich geschmackvolle Früchte entwickeln, braucht der Kirschbaum einen Platz mit vollem Sonnengenuss. Gut mit Nährstoffen versorgt, dazu humusreich und tiefgründig sollte der Boden sein, gern kann ein gewisser Tonanteil vorhanden sein. Grundsätzlich ist die Sauerkirsche etwas weniger anspruchsvoll. Die Süßkirsche versagt auf kalten, verdichteten und staunassen Böden. Optimal sind nicht zu kalkreiche Standorte in sommertrockenen Gebieten. An einem unpassenden Standort kommt es zu Gummifluss, der die Leitungsbahnen im Holz verstopft und sogar stärkere Äste zum Absterben bringt. Auch Winterkälte kann Frostrisse verursachen. Allerdings wird zum Blühen auch ein Kältereiz benötigt: Süßkirschen beispielsweise benötigen bis zu 1.600 Kältestunden über den Winter, sonst kommt es zu Ertragsverlusten.

 

Befruchtung

Zum reichlichen Fruchtansatz ist vor allem bei den Süßkirschen oft eine Befruchtersorte erforderlich, denn sie sind selbstunfruchtbar. Bei der Auswahl sollte man darauf achten, dass sich die Blütezeiten überschneiden. Auch wenn eine Kirschsorte als selbstbefruchtend beschrieben wird, steigert ein zweiter Baum den Blütenansatz und den Ertrag. Sauerkirschen können sich meist selbst befruchten.

 

Ernte und Verwertung

Die Reifezeit der Kirschen erstreckt sich über zwei Monate, wobei etwa die Süßkirschensorten verschiedenen Kalenderwochen zugeordnet werden. Sauerkirschen sind kleiner, weicher, säurehaltiger und saftreicher als Süßkirschen. Einen Großteil der Sauerkirschen verarbeitet man zu Nektar, Konfitüre, Edelbränden oder Likören. Man kann Kirschen auch einkochen. Nur ein geringer Teil der transportempfindlichen und nicht lange haltbaren Früchte kommt frisch auf den Markt. Süßkirschen verzehrt man vor allem frisch. Sie sind haltbarer als ihre sauren Schwestern. Alle Kirschen werden außerdem zu Schnaps gebrannt.

Die Kirschernte erfordert eine gewisse Umsicht: Kirschen pflückt man möglichst mit Stiel, dann sind die Früchte länger haltbar, der Baum wird außerdem geschont, die unmittelbar neben den Stielansätzen angelegten Fruchtknospen des nächsten Jahres bleiben unbehelligt. Dazu dreht man die Früchte am Stiel. Sauerkirschen sollte man eventuell mithilfe einer Schere beernten. Die Früchte lösen sich nur schwer, ein Ausreißen der Fruchtstielansätze und damit die Infektion mit Monilia-Spitzendürre kann man durch diese Methode vermeiden.

Quelle: mein schöner Garten

Foto: pixabay (lizenzfrei)